18.08.2007

beim zahnarzt

Ein Wunder – heute Abend befand sich in meinem Briefkasten keine einzige Rechnung! Nun das würde noch kommen. Jene des Zahnarztes nämlich, welcher in mehreren, jeweils einstündiger Sitzungen allerlei metallene Werkzeuge in meinem Mund versorgte, von denen ich gar nicht wusste, dass sie dort drin Platz finden. Zu meiner Beruhigung holte er die meisten auch wieder heraus, nehme ich jedenfalls an. Ich habe sie nicht gezählt, denn ich konnte und wollte das alles nicht sehen, und so hielt ich, und auch wegen der Helligkeit der Lampe, die meiste Zeit die Augen geschlossen. Wenn ich sie öffnete, dann hafteten sie unweigerlich am über mir schwebenden Gesicht der attraktiven Assistentin, welche mir mit diesem devot speichelsaugenden Haken im Mund herumstocherte...

... und während dies geschieht, stelle ich mir vor, dass wir uns einmal träfen – zu einem Bier vielleicht – und ein bisschen plauderten, uns versuchten, kennenzulernen. Dann fällt mir aber ein, dass sie mich schon ziemlich gut kennt, während ich von ihr nur vermuten kann, dass ihr Gesicht unterhalb der gossen braunen Augen mehr als nur aus einem hellgrünen Tuch besteht. Manchmal fragt man sich wirklich, was diese Leute zu verbergen haben. Man sagt ja, dass sie sich gegen allerlei Krankheiten zu schützen haben. Aber vielleicht müssen sie auch uns Patienten vor sich schützen...
Also entspanne ich mich, und in meiner Fantasie treffen wir uns in einer Bar. Sie weiss alles über ... meinen Mund. Genau – eine seltsame Vorstellung, ich weiss nichts über sie, sie eigentlich auch nichts über mich, aber alles über meinen Mund. Sie wird mir nicht in die Augen sehen, wenn ich ihr sage, dass ich mich in sie verknallt habe, nein, sie wird mir ins Maul schauen, dort wo für Zahnärzte und deren Gehilfinnen die Spiegel der Seele sind. Ich werde meine Zähne gut schrubben.

Aber dann gehen wir zu ihr nach Hause, und während wir an den gerahmten Röntgenbildern irgendwessen Zähne vorbeitaumeln, reissen wir uns die Kleider vom Leib und fallen auf ihr Bett, und sogleich dringt ihre Zunge in meinen Mund, füllt ihn aus und ich kann ihr Piercing spüren.
Doch halt, was ist das? Ich ziehe meine Zunge heraus, stosse die Dame von mir, halte mir den Mund mit den Händen, denn was ich sehe, lässt mir das Blut in den Adern gefrieren: Ihre Zunge wächst nahtlos in ein Mehrzweck-Werkzeug über, welches funkelnd und klirrend sich bewegt – die kleinen Bohr- und Schleifwerkzeuge zucken ins Leere, dort wo eigentlich mein Gebiss sein sollte, und ihrem Mund entströmt ein bedrohliches Zischschschschen...

... «so, das war’s Herr Soundso, bitte trinken und essen Sie eine Stunde, drei Minuten und 17 Komma fünf Sekunden lang nichts, damit der Beton des Provisoriums trocknen kann, meine Sekretärin wird mit Ihnen einen weiteren Termin vereinbaren, auf Wiedersehen.» Wahnsinn, ein ganzer Satz wie ein einziges Wort.
«Ja, auwfwiederfehen-err-oktor.»
Die Dame am Empfang ist diesselbe, die dem Zahnarzt assistiert hat, und sie meint neckisch und gedehnt:
«So..., dann machen wir beide mal ein Date aus...»
«... nein, daf werden wir nicht», krächze ich mit meinem ausgetrockneten Mund, bevor ich durch die Tür verschwinde, denn ich habe ihr Piercing im Mund funkeln sehen und es an ihrer Wispelsprache auch gehört.
Ich hasse Piercings. Bei Frauen sind sie immer dort, wo sie stören.

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