17.06.2015

Kompensation

Die Wanderstrasse sollte eigentlich Raserstrass heissen. Denn an der Wanderstrasse in Basel vergessen sich dir Autofahris. Es ist ein Horror, diese Strasse zu überqueren (heute sagt man "queren", aber seien wir ehrlich, das wollen wir uns doch nicht wirklich angewöhnen oder?), denn alles mit vier Rädern rast von Allschwil her ungebremst Richtung Schützenmatte. Diese gelben Streifen interessieren da nicht. Eine Insel lädt das Fussgängeri zum Verweilen ein, in den meisten Fällen aber bietet es einfach nur Schutz und Trost. Neulich wagte ich den Versuch, mit Tochter, beide das Velo schiebend, die andere Strassenseite zu erreichen. Eine fröhlich hupende Autofahrerin wies mich laut und schreiend auf meine Veratwortungslosigkeit hin. Wie aufmerksam. Leider kam sie uns etwas nahe, was mich zu einer aufmerksamen Antwort einludt. Es ist ja hinreichend bekannt und belegt, dass ein Fussgängeri mit Velo keine Chance hat, den Fussgängerstreifen zu überqueren. Ist ja voll logisch oder? Ebenso jemand mit einem Telefon am Ohr. Wer die Logik des Autofahris nicht versteht, sollte besser zuhause bleiben oder auch mit dem Auto unterwegs sein. An der Wanderstrasse also betreiben die Autofahris Kompensation. Deshalb weil rundherum 30er- oder sogar 20er-Wohnstrassen sind. Deshalb.
Kompensation betreibt auch das Stimmvolk. Wie vergangenes Wochenende bewiesen, möchten die Schweizeris: Noch mehr reiche Erben, die das Geld bunkern oder steuerfrei ins Ausland verlegen, und die schon ab Geburt mit dem Makel der Faulheit gezeichnet werden. Man hat diesen Reichen auch die rechtliche Grundlage gegeben, sich Wunschkinder zu kaufen. In der Schweiz. Ganz so einfach ist es zwar noch nicht, aber die wissen sich schon zu helfen. So können sie sich also getrost, soviele reine Erben schaffen, wie sie wollen. Ausserdem werden wir alle gleicher, denn nun bezahlen alle für einen Service, den nicht alle wollen, und für einen, der schon durch Werbung finanziert wird, die niemand will. Und Stipendien sollen nicht auf Bundesebene organisiert sein, sondern weiterhin bei den Kantonen; so haben die Reichen auch dort leichteren Einfluss darauf wen sie fördern und einst in ihren Reihen haben möchten. Bei all dem hat das Volk kompensiert. Nämlich die hehren Reden gegen die sich stetig öffnende Schere zwischen Ärmern und Reicher: Die Kompensation, nach den Hassreden auf die Reichen, die Lobstimme an dieselben.

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